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Channel: Philippe Wampfler » Evgeny Morozov
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Wie Roboter zu Journalisten und Tradern werden

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Mit meinen Schülerinnen und Schülern habe ich ein Blogprojekt durchgeführt. Als erste Kommentare von nicht Klassenmitgliedern eintrafen, setzte eine Art Jubel ein:

»Hennes« gibt es aber nicht. Er ist ein so genannter Bot – ein Computerprogramm, das wie ein Roboter handelt. »Hennes« hinterlässt Kommentare, die so aussehen, als seien sie echt  (immerhin nimmt er Bezug auf WordPress und macht der Autorin ein Kompliment, was Computerprogramme sonst selten tun).

»Hennes« ist ein so genannter »Comment Spammer«-Bot. Wie die Grafik von incapsula.com zeigt, stammt gut die Hälfe von allem Internettraffic von Bots, rund ein Drittel von bösartigen:

Nun gehen wir grundsätzlich von Beispielen aus, bei denen Menschen – also die oben verlinkte Bloggerin – mit computergenerierter Kommunikation konfrontiert werden: Z.B. Spam, Suchergebnissen etc.

Ein aufschlussreicher Essay des Internet-Skeptikers Evgeny Morozov – deutsch in der FAZ, englisch bei Slate –  hält nun Beispiele fest, bei denen aber nur noch Bots mit Bots interagieren:

Oder nehmen wir den Finanzjournalismus. Deren ehrwürdige Institution Forbes stützt sich auf die junge Firma Narrative Science, mit deren Hilfe automatisch Artikel über die voraussichtliche Entwicklung von Unternehmenszahlen generiert werden. Man gibt ein paar statistische Daten ein, und im Handumdrehen liefert die Software gut lesbare Artikel. Oder wie Forbes sagt: „Narrative Science verwandelt Daten in Texte und Einblicke.“ Die Ironie der Geschichte ist natürlich, dass Automaten Texte über Unternehmen „schreiben“, die ihr Geld mit automatisiertem Trading verdienen. Diese Texte werden dann wieder in das Finanzsystem eingespeist, so dass die Algorithmen noch lukrativere Geschäftsmöglichkeiten entdecken. Im Grunde ist das Journalismus von Maschinen für Maschinen. Aber zumindest fließt der Gewinn in die Taschen realer Menschen.

Morozov beschreibt eindrücklich, was für ein Potential robotergenerierter Journalismus hat: Texte werden personalisiert und nehmen Rücksicht auf unsere Lesegewohnheiten, die nicht nur Google kenn, sondern auch Amazon, weil wir Kindle für die Lektüre unserer Bücher nutzen. Heute können Computerprogramme schon innert Sekunden politische Berichte schreiben (sie entnehmen Informationen Tweets und Webseiten), Sportberichte und Ähnliches. Morozovs Fazit lautet:

Die eigentliche Gefahr liegt darin, dass wir nicht nach den sozialen und politischen Konsequenzen fragen, die in einer Welt zu gewärtigen sind, in der anonymes Lesen kaum noch möglich ist. Die Werbebranche will, gemeinsam mit Google, Facebook und Amazon, diese Welt möglichst rasch nach ihrem Geschmack einrichten; aber eigenständiges, kritisches und unkonventionelles Denken wird es in dieser Welt immer schwerer haben.

Mein Schluss aus diesen technologischen Möglichkeiten wäre, dass menschengemachter Journalismus nur eine Chance hat, wenn er eben menschlich ist – und nicht Informationen übernimmt, das Erwartbare und Erwartete liefert und nicht versucht, schneller zu sein als die anderen. Denn Computer können all das besser als Menschen.



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